Die Gesundheit der Mitarbeiter und die eigene Gesundheit im Blick
Aus der Praxis ist bekannt, dass Führungskräfte häufig ihren Einfluss auf die Gesundheit ihrer Mitarbeiter – was die Gestaltung von Rahmen- und Arbeitsbedingungen, aber auch ihre Vorbildwirkung anbelangt – unterschätzen (Matyssek,2009; Zimber & Gregersen, 2017). In diesem Zusammenhang spielen der geringe Stellenwert von Gesundheit, Unkenntnis über Gestaltungsmöglichkeiten sowie die Befürchtung, eine lästige Zusatzaufgabe übernehmen zu müssen, eine zentrale Rolle.
Gesundheit als Führungsaufgabe
Führungskräften kommen sowohl Aufgaben im traditionellen Arbeitsschutz (Reduzierung vermeidbarer Belastungen z. B. Zeitdruck) als auch bei der Gesundheitsförderung im weiteren Sinne (Förderung von Res-sourcen z.B. eigenständige Gestaltung der Arbeitsabläufe) zu. Leider zeigt sich in der Praxis immer wieder, dass der Arbeits- und Gesundheitsschutz vom Management eher als nachrangige Aufgabe wahrgenommen wird.
Zentrale Gesundheitsaufgaben von Führungskräften
Quelle: Eigene Darstellung nach Ergebnisse der Literatursuche von Gregersen et al. 2011.
Unterstützung anbieten und Gesundheit vorleben
Es gibt mittlerweile viele Studien, die den Zusammenhang zwischen Führung und der Gesundheit von Beschäftigten belegen. Führung ist ein entscheidender Einflussfaktor in Bezug auf Leistung, Motivation und Gesundheit von Beschäftigten (z. B. Montano et al. 2017).
So sind beispielsweise gestresste Führungskräfte weniger dazu in der Lage, ihre Mitarbeitenden zu unterstützen, was sich direkt auch auf deren Stressniveau auswirkt. (Belegt durch Roche et al. 2014). Weitere Studien belegen einen Ansteckungsprozess, den sogenannten „tickle-down-effect“, von Emotionen des Vorgesetzten auf die Mitarbeitenden. Diese Übertragung gilt sowohl für positive als auch für negative Gefühle und kann das Wohlbefinden am Arbeitsplatz maßgeblich beeinflussen (Brummelhuis et al. 2014 oder Rigotti et al. 2014). Führungskräfte sollten u.a. die Eigenverantwortung und Selbstorganisation bei ihren Mitarbeitenden fördern, Gestaltungsmöglichkeiten schaffen und möglichst viele positive Emotionen ermöglichen, denn dadurch wird die Führung zur Ressource. Führungskräfte sind heute auch dafür da, die Mitarbeitenden zu unterstützen und das gelingt sehr gut durch einen gesunden Führungsstil, den sie natürlich auch vorleben sollten.
Führung für Wohlbefinden: Gesunde Selbstführung am Arbeitsplatz
„Mein Wellbeing ist dein Wellbeing“
Die gesundheitsorientierte Selbstführung dient als Vorbild und Anregung für die Mitarbeiter. Dabei bewirkt die gesundheitsförderliche Vorbildfunktion, dass sich die Mitarbeitenden ebenfalls gesundheitsförderlicher verhalten. Ausgehend von der gesundheitspsychologischen Forschung sind folgende Aspekte gesundheitsförderlicher Selbstführung relevant:
Quelle: Modell der gesundheitsorientierten Führung (Health-oriented Leadership = HoL), eigene Darstellung nach Franke et al. (2014)
Gesundheitsförderliche Führung wird sowohl in Bezug auf die Arbeitssituation und den Umgang mit den Mitarbeitenden (StaffCare) als auch in Bezug auf den Umgang der Führungskräfte und Mitarbeitenden mit der eigenen Gesundheit erfasst (SelfCare). Mitarbeitende können zudem den Umgang der Führungskraft mit ihrer eigenen Gesundheit einschätzen (SelfCareFK).
Gesund führen – Empfehlungen für die Praxis
Multiple Stellschrauben im Blick
Das HoL- Modell macht deutlich, dass es sowohl bei Führungskräften als auch Mitarbeitenden mehrere wichtige Ansatzpunkte für Interventionen gibt. Neben der Vermittlung von gesundheitsförderlichen Verhaltensweisen lässt sich auch an den Punkten „Wichtigkeit“ und „Achtsamkeit“ ansetzen. Zum einen kann der Wert von Gesundheit betont werden. Hierbei empfiehlt es sich, vor allem bei den oberen Führungsebenen anzusetzen. Es ist wichtig, ein gemeinsames Verständnis zu fördern, dass die Gesundheit der Mitarbeiter ein grundlegendes Gut ist – nicht nur aus moralischer, sondern auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht, insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels.
Zum anderen braucht es auch eine Achtsamkeit gegenüber gesundheitsrelevanten Veränderungen. So stellt sich beispielsweise die Frage, woran ich als Führungskraft merke, dass eine Mitarbeiterin, die gute Arbeitsleistung zeigt, trotzdem unter den aktuellen Arbeitsbedingungen mehr und mehr leidet. Der Aspekt der Achtsamkeit kann besonders gut in Führungskräftetrainings integriert werden, beispielsweise durch Fallstudienarbeit und Ideenfindung für angemessenes gesundheitsförderndes Verhalten.
Gesundheit der Führungskraft durch gesunde Verhältnisse
Organisationen, die gesundheitsorientierte Führung fördern wollen, sollten unbedingt ihre Führungskräfte entlasten und ihnen benötigte Ressourcen zur Verfügung stellen (Montano et al., 2017) . Insbesondere eine Reduzierung von messbare Stressoren wie „ständige Erreichbarkeit“ und „Multitasking“ sowie eine Erhöhung von Ressourcen wie „Autonomie“ und „soziale Unterstützung“ begünstigen gesundheitsorientiertes Führungsverhalten – und zwar sowohl die Selbstfürsorge der Führungskräfte (SelfCare) als auch die Fürsorge für die Mitarbeitenden (StaffCare). Kommen noch effiziente Arbeitsweisen, wie zum Beispiel faire Leistungsbeurteilung oder guter Informationsaustausch hinzu , schaffen Organisationen sehr gute Voraussetzungen für die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden ( Raetze et al., 2021).
Zusammenfassend beginnt die Förderung der Gesundheit innerhalb eines Teams/Abteilung also bei der Führungskraft selbst. Eine Führungskraft, die sich um ihre eigene Gesundheit kümmert, kann so den Teammitgliedern ein Rollenvorbild sein.
Die Gesundheit als wertvollstes Gut anzuerkennen, zeigt vor allem eines: Wertschätzung sich selbst und anderen gegenüber. Wertschätzung beflügelt die Motivation ungemein und erhöht die Team-Zufriedenheit nachweislich. Eine Win-Win-Win-Situation für alle Beteiligten (Führungskräfte, Mitarbeitende und das Unternehmen).
Zum Nachlesen:
Franke, F.,Felfe, J. & Pundt, A. (2014). The impact of health-oriented leadership on follower health: Development and test of a new instrument measuring health-promoting leadership. In: Zeitschrift für Personalforschung, 28, S. 139–161.
Gregersen S, Kuhnert S, Zimber A, Nienhaus A ( 2011). Führungsverhalten und Gesundheit – Zum Stand der Forschung. In: Gesundheitswesen, Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart, 73(1): 3–12.
Jungbauer, K.-L., & Wegge, J. (2015). Führen in Krisenzeiten. In J. Felfe (Hrsg.), Trends der psychologischen Führungsforschung – Neue Konzepte, Methoden und Erkenntnisse (S. 501–511). Göttingen: Hogrefe.
Li N., Guo Q. Y., Wan H. (2019). Leader inclusiveness and taking charge: the role of thriving at work and regulatory focus. Front. Psychol.
Montano D., Reeske A., Franke F., Hüffmeier J. (2017). Leadership, followers’ mental health and job performance in organizations: A comprehensive meta-analysis from an occupational health perspective. Journal of Organizational Behavior, 38(3), 327-350.
Thompson, C. S. (2018). Leadership Behaviours That Nurture Organizational Trust: Re-Examining the Fundamentals. Journal of Human Resource Management, 21, 28-42.
Raetze, S.; Duchek, S.; Maynard, M. T. & Kirkman, B. L. (2021): Resilience in Organizations: An Integrative Multilevel Review and Editorial Introduction. In: Group & Organization Management, 46(4), S. 607–656