Anwesenheitsboni:
Nachhaltige Lösung oder Fehlanreiz?
von Svenja Gimbel
Helfen finanzielle Anreize wirklich, die Anwesenheitsquote zu verbessern?
Anwesenheitsprämien sollen Fehlzeiten reduzieren – doch aktuelle Studien zeigen, dass finanzielle Anreize unerwartete Nebenwirkungen haben können. Eine Untersuchung ergab, dass Azubis mit einem Geldbonus im Schnitt fünf Tage mehr fehlten als die Kontrollgruppe. Der Grund: Sie fühlten sich weniger verpflichtet, regelmäßig zu erscheinen.
Ähnliche Beobachtungen wurden bei Tesla gemacht. Trotz der Einführung eines Anwesenheitsbonus im Werk Grünheide blieb der Krankenstand hoch. Unangekündigte Hausbesuche bei auffällig häufig abwesenden Mitarbeitern führten zu gemischten Reaktionen und warfen Fragen zur Wirksamkeit solcher Maßnahmen auf.
Interessante Feldstudie
Neben der Abwägung, ob man bloße Präsenz am Arbeitsplatz extra belohnen sollte, stellt sich die Frage, ob so ein Bonus überhaupt das bewirkt, was er soll: die Krankentage reduzieren. Ein Experiment in einer deutschen Supermarktkette untersuchte die Auswirkungen von Anwesenheitsprämien auf die Fehlzeiten von Auszubildenden. Drei Gruppen wurden gebildet: eine mit finanziellem Bonus, eine mit zusätzlichen Urlaubstagen und eine Kontrollgruppe. Wer einen Monat ohne Fehltag absolvierte, konnte Punkte sammeln und diese am Jahresende in Geld (max. 240 €) oder Urlaub (max. 4 Tage) eintauschen.
Ergebnis: Die Gruppe mit dem finanziellen Bonus fehlte im Schnitt fünf Tage mehr als die Kontrollgruppe. Laut Fragebogen fühlten sich diese Auszubildenden weniger verpflichtet, regelmäßig zu erscheinen, und hatten weniger Skrupel, trotz guter Gesundheit zu Hause zu bleiben. Der finanzielle Anreiz schien die Norm der regelmäßigen Anwesenheit zu untergraben, was potenziell negative Folgen hat.
Quelle: Alfitian, J., Sliwka, D. & Vogelsang, T.( 2023)
Soll im Unternehmen Motivation durch Anreizsysteme geschaffen werden, gibt es eine Reihe von Dingen zu beachten. Nutzen Sie die Checkliste zur besseren Einschätzung:
Das Eigentor »Anwesenheitsprämie«
Eine Anwesenheitsprämie vermittelt das Gefühl, dass Fehlzeiten unberechtigt sind. Zudem stellt es »Anwesenheit« als Leistungskriterium auf Platz Nummer 1.
Grundsätzlich ist es daher eher kritisch zu sehen, die reine Anwesenheit der Mitarbeitenden auf der Arbeit zu belohnen. Zwar hat eine Anwesenheitsprämie vielleicht einen positiven Effekt auf den Krankenstand. Allerdings nur, wenn man es mit einer Belegschaft zu tun hat, die zum »Krankfeiern« neigt. In allen anderen Fällen jedoch – und das sind die meisten – wird man sich langfristig mit einer Anwesenheitsprämie ein Eigentor schießen.
Hat man es nämlich mit einem hohen Krankenstand aufgrund von tatsächlicher Krankheit zu tun, hat das Einführen einer Anwesenheitsprämie maximal einen kurzfristig positiven Effekt auf den Krankenstand. Langfristig jedoch werden die Krankenstandszahlen wieder steigen oder mehr noch: Sie können sogar über das Ausgangsniveau hinausgehen.
Von kurzfristigen Boni zur langfristigen Gesundheitsförderung
Anstatt das reine Erscheinen zu belohnen, sollten Unternehmen das individuelle Gesundheitsverhalten der Mitarbeitenden fördern:
✔ Gezielte Anreize: Boni für die Teilnahme an Gesundheitskursen zu Sport, Ernährung oder Stressbewältigung motivieren Mitarbeitende, ihre Gesundheit aktiv zu verbessern.
✔ Prävention statt Symptombehandlung: Eine gesunde Arbeitsplatzgestaltung, kombiniert mit Betriebssport, Ergonomie & mentaler Gesundheit, sorgt für weniger Krankheitsfälle.
✔ Datenbasierte Ansätze: Mitarbeiterbefragungen zu Präsentismus, Arbeitsbelastung & Krankheitsursachen liefern wertvolle Erkenntnisse für nachhaltige Maßnahmen.
Fazit: Ganzheitliche Gesundheitsförderung statt reiner Zahlenfokus
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